Grundschüler mit Römertagen für Latein begeistern
Dieter Elsässer und Karin Winkler felsenfest überzeugt: Mit gezielten Aktionen können Grundschüler für alte Sprachen begeistert werden? Der Leiter des altehrwürdigen Karls-Gymnasiums im Stuttgarter Süden und die Leiterin des EberhardLudwigsGymnasiums (Ebelu) im Norden setzen dabei auf Römertage und auf die Begeisterung ihrer Fünft und Sechstklässler, die Grundschülern die Welt der Römer nahebringen sollen. Die Veranstaltungen stoßen auf großes Interesse. Im Karls-Gymnasium haben sich knapp 500 Viertklässler aus Stuttgart und der ganzen Region angemeldet, im Ebelu sind es 160.
„Damit betreten wir Neuland“, sagt Elsässer. „Wir wollen zeigen, was man mit alten Sprachen alles machen kann und wie interessant das sein kann.“ Neuland betritt seine Schule auch durch das ungewöhnliche Format der Veranstaltung. Sie findet am 23. Januar statt, einem Freitag, und dauert einen ganzen Vormittag, während das Ebelu die Interessenten auf vier Termine verteilt. Nicht Lehrer, sondern Gymnasiasten der Klassenstufen fünf und sechs sind es, die den Kleinen zeigen werden, was sie in Latein, Geschichte, der TheaterAG und dem Fach Mensch und Natur, das speziell auf das Karls-Gymnasium zugeschnitten ist, gelernt haben. „Wenn Schüler das vermitteln, wirkt das anders, als wenn ein Lehrer das machen würde“, sagt Rektor Dieter Elsässer.
Dabei geht es um die Stadt Rom, aber auch darum, wie Gladiatoren gelebt haben, wie man damals Aquädukte und Fußbodenheizungen gebaut hat und mit welchen Methoden man heute Archäologie betreiben kann. Latein? Ja, das werde natürlich auch geboten. Aber damit sich die Gäste nicht langweilen, laden die Gymnasiasten diese eher zum Mitmachen bei Aktionen ein. Ein römischer Baukran oder römische Schreibtafeln und Spiele, Speisen, Kleider und eine Schminkstation dürften den Geschmack der Grundschüler dabei sicher treffen.
Dass die Veranstaltung in Zusammenhang mit dem zurückgehenden Interesse an alten Sprachen steht, weist Elsässer von sich. Der Römertag sei eine Idee der Fachschaft gewesen und von langer Hand geplant, aus schierer fachlicher Begeisterung. Zu einer Zeit jedenfalls, als man noch nicht geahnt habe, dass es, wie im vergangenen Jahr, an dem altsprachlichen Gymnasium nur noch 37 Anmeldungen für Klasse fünf geben würde. Auch das Ebelu, bekam diesen Trend bereits zu spüren. Dort meldeten sich 2014 nur noch 45 Schüler an. Im Jahr zuvor gab es an beiden Schulen noch je 55 Anmeldungen.
„Wir wollten diesem Trend einfach etwas entgegensetzen“, sagt Winkler. Im Unterschied zu Elsässer, der diese Entwicklung nicht nachvollziehen kann, nennt sie gleich mehrere Gründe. Oft werde in die Debatte geworfen, Latein sei überflüssig und überfordere die Kinder: „Immer mehr Eltern stellen die Sinnhaftigkeit des Fachs in Frage – der Nutzen ist nicht mehr so präsent“, sagt Winkler. Dabei trage Latein dazu bei, andere romanische Sprachen rascher zu lernen. Und es vermittle den Schülern ein Verständnis von Text, Grammatik, ja, von Sprache überhaupt. „Viele unserer Gymnasiasten nennen Latein als Lieblingsfach. Es geht darum, das den Leuten wieder ins Bewusstsein zu bringen.“
Darum bemüht man sich auch am Karls-Gymnasium. Dass Latein keine gesprochene Sprache sei, findet Elsässer nachrangig. „Latein ist nicht schwerer als Englisch“, behauptet er. Nur frage bei Englisch niemand, wozu er das lernen solle.
Inge Jacobs, Stuttgarter Zeitung vom 13. Januar 2015
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