Mit Toga, Pferd und Götterglaube
Eine Schülerin hält ein pinkfarbenes Schild in die Luft. Eine Schulklasse folgt ihr durchs Treppenhaus. Zwei Jungs in einer weißen Toga und mit grünem Kranz im Haar rennen durch den Flur, und im Musiksaal steht ein Holzpferd. Für einen Tag ist vieles anders im humanistischen Gymnasium an der Tübinger Straße. Am Freitag haben Elisabeth Gentner, stellvertretende Schulleiterin, und ihre Kollegen das Schulhaus ins alte Rom zurückversetzt. Das Interesse war riesig: Rund 500 Grundschüler wollten sich über die Möglichkeit informieren, alte Sprachen zu lernen.
Ein Jahr haben die Schüler an dem Konzept gearbeitet. Es sollte vor allem darum gehen, dass Schüler anderen ihr Wissen präsentieren können. „Wir hatten oft im Unterricht den Fall, dass Schüler gern ihre Projekte vorführen wollten und wir keinen Anlass hatten“, sagt Claudia Gulden, Hauptorganisatorin des Römertags. Zu den Projekten zählen selbsthergestellte Baukräne aus Holz oder ein Gruppenreferat über griechische Götter. „Neben dem Erlernen der lateinischen Sprache ist es uns wichtig, dass die Kinder auch etwas über die Kultur lernen und sich auch praktisch an Themen heranwagen“, sagt Gulden.
Doch Latein ist nicht alles: Altgriechisch, Englisch, Französisch und Spanisch kann man ebenfalls am Karls-Gymnasium lernen. Wobei laut Gentner die Schüler überwiegend bei Latein bleiben und Altgriechisch dazu wählen. „Französisch und Spanisch wird zwar immer noch gut besucht, aber es passiert immer öfter, dass auch mal eine ganze Klasse in den Altgriechisch-Kurs geht.“
Latein lehrt Logik und Feingefühl für Sprachen
Woran das liegt? Gentner ist überzeugt, dass in Latein Logik und ein Feingefühl für Sprachen entwickelt wird – das war neulich auch der Tenor bei einer Veranstaltung unserer Zeitung mit dem ebenfalls humanistisch ausgerichteten Eberhard-Ludwigs-Gymnasium zum Thema alte Sprachen.
Philipp Wrendecke (11) erzählt am Römertag von den griechischen Göttern. Sein Lieblingsgott ist Merkur, weil der ein Schlitzohr sei. Philipp hat Spaß daran, Altgriechisch will er dennoch nicht belegen. „In Latein bin ich schon nicht gut, da nehme ich lieber Französisch.“ Würde er Latein weiterlernen, könnte er in einer höheren Klassenstufe nach Rom fahren.
Ob alte Sprachen auch etwas für künftige Schüler des KarlsGymnasium sind? Nika Stahl (9) ist vom Römertag begeistert: „Nur der Schulweg ist zu lang.“ Und die Eltern? „Warum nicht?“, stellt Jutta Kraft die Gegenfrage, als sie sich mit ihrem Sohn unter die 430 Schüler des Gymnasiums mischt. Dort ist wieder die blonde Schülerin mit dem pinkfarbenen Schild unterwegs. Ob sie nächstes Jahr wieder die Besucher führt? Konrektorin Elisabeth Gentner will jedenfalls den Römertag fortsetzen.
Nadja Dilger, Stuttgarter Nachrichten vom 26. Januar 2015
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