Kein Krieg in Troja!
Keiner, der nicht vom Trojanischen Krieg gehört hätte, von der schönen Helena, deren Entführung ihn auslöste, vom hölzernen Pferd, dessen Erfindung sein Ende brachte und von den großen Helden, die ihn ausfochten. Er steht für den Krieg schlechthin, steht als Sinnbild aller Kriege, steht am Beginn der europäischen Literatur – aber: Hätte dieser Krieg nicht verhindert werden können? Er muss verhindert werden! Dies ist Hektors einziger Gedanke, als er aus einem der zahlreichen lokalen Kriege zu seiner Frau Andromache heimkehrt und erfährt, wie es in Troja steht. Schließlich hatte er ihr doch geschworen, dieser Krieg werde endlich der letzte gewesen sein. Nun muss er mit Entsetzen feststellen, dass sein kleiner Bruder Paris inzwischen die schöne Helena entführt hat und bereits die Griechen unterwegs sind, um sie zurückzufordern oder andernfalls Troja den Krieg zu erklären. Entschlossen bemüht sich Hektor den Krieg abzuwenden. Noch weiß er nichts davon, dass er selbst in eben diesem Krieg sterben wird, noch glaubt er, die Katastrophe aufhalten, glaubt, mit vernünftigen Argumenten gegen alle Widerstände ankommen zu können, gegen seinen leichtfertigen Bruder, seinen verblendeten Vater, die gleichgültige Helena, den schlauen Odysseus – selbst gegen den patriotischen Dichter Demokos, den größten Kriegstreiber in der Stadt. Doch je mehr er sich müht, je mehr auch scheinbar sein Bemühen Frucht trägt, umso mehr beginnt er zu ahnen, dass der Sog des Krieges stärker sein wird als alle Vernunft – wir kennen das Ende …
Jean Giraudoux: Kein Krieg in Troja!